Beschränkung der Wasserentnahmen auf dem Gebiet des Landkreises Göttingen durch Allgemeinverfügung
Veröffentlicht im Amtsblatt des Landkreises Göttingen am 03. Juli 2023:
Die untere Wasserbehörde des Landkreises Göttingen erlässt folgende
Allgemeinverfügung:
- Jegliche Wasserentnahmen aus den Fließgewässern (2. und 3. Ordnung) auf dem Gebiet des Landkreises Göttingen mittels technischer Pumpvorrichtungen (Motorpumpen etc.) werden untersagt. Die Untersagung gilt auch für Wasserentnahmen, für welche eine gültige wasserrechtliche Erlaubnis vorliegt, die keine Festlegung zum einzuhaltenden Mindestwasserstand enthält.
- Die Entnahme von Grundwasser mit technischen Pumpvorrichtungen auf dem Gebiet des Landkreises Göttingen zum Zwecke der Beregnung von öffentlichen und privaten Grünflächen wird in der Zeit von 10.00-19.00 Uhr untersagt. Die Untersagung gilt auch für Wasserentnahmen, für die eine wasserrechtliche Erlaubnis vorliegt.
- Die Allgemeinverfügung gilt ab dem Tag nach der Bekanntgabe. Sie tritt mit Ablauf des 30.09.2023 außer Kraft. Sie kann jederzeit widerrufen werden.
- Die sofortige Vollziehung der Allgemeinverfügung wird angeordnet.
Begründung:
Zu 1.
Aufgrund der anhaltenden Trockenheit haben sich in den Fließgewässern im Gebiet des Landkreises Göttingen sehr niedrige Wasserstände eingestellt. Eine Änderung dieser Situation ist aufgrund der Wetterprognose derzeit nicht absehbar. Aufgrund der Niedrigwasserstände besteht die Gefahr, dass die Tier und Pflanzenwelt nachhaltig gestört wird. Die Entnahme von Wasser aus Oberflächengewässern mittels technischer Pumpvorrichtungen verstärkt diese Gefahr erheblich. Dieses gilt selbst dann, wenn an einzelnen Entnahmestellen noch eine ausreichende Wasserführung zu beobachten sein sollte.
Das Entnehmen oder Ableiten von Wasser aus einem oberirdischen Gewässer ist gemäß § 33 WHG‘ nur zulässig, wenn die Abflussmenge erhalten bleibt, die für das Gewässer und andere hiermit verbundene Gewässer erforderlich ist, um den Zielen der Gewässerbewirtschaftung (§ 6 Abs. 1 und §§ 27 ff. WHG) zu entsprechen. Diese Mindestwasserführung ist derzeit nicht mehr gewährleistet. Gemäß § 100 Abs. 1 S. 2 WHG in Verbindung mit § 128 NWG2 bin ich nach pflichtgemäßen Ermessen berechtigt, eine Regelung zur Verhinderung von Gewässerbeeinträchtigungen zu treffen. Die Allgemeinverfügung ist erforderlich, um vorsorglich die Lebensgrundlage Wasser, die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die Natur und das Wohl der Allgemeinheit einschließlich der Rechte von Wasserrechtsinhabern zu schützen und zu erhalten. Sie ist ein geeignetes Mittel zur Absicherung der ökologischen, wassermengen und wassergütewirtschaftlichen Anforderungen. Darüber hinaus stellt sie auch das mildeste Mittel dar, um die ökologischen Funktionen der Fließgewässer als wichtige Lebensräume zu schützen.
Die nachträgliche Beschränkung der wasserrechtlich erlaubten Wasserentnahmen gemäß 5 13 Abs. 1 und § 100 Abs. 2 WHG ist geeignet und erforderlich, weil damit schädliche Gewässerveränderungen vermieden werden. Ist in einer erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis die Nebenbestimmung zur Mindestwasserführung bzw. zum Mindestwasserstand aufgenommen, kann eine Verschlechterung des ökologischen Zustands ausgeschlossen werden, da dies bei Erstellung der Erlaubnis berücksichtigt wurde. Diese erlaubten Wasserentnahmen dürfen dann auch weiterhin erfolgen, soweit die Mindestwasserführung vorhanden ist. Im übrigen gewährt die wasserrechtliche Erlaubnis nach § 10 WHG lediglich eine widerrufliche öffentlich-rechtliche Befugnis zur Benutzung eines Gewässers, nicht jedoch ein Recht. Aufgrund der Widerruflichkeit wasserrechtlicher Erlaubnisse (5 18 WHG) ist die temporäre Einschränkung der Wasserentnahmen während der Niedrigwasserperiode als das mildeste Mittel anzusehen. Das öffentliche Interesse am Erhalt dieser Lebensraumfunktionen überwiegt das Interesse Einzelner an der Möglichkeit der Wassernutzung. Die Anordung ist somit auch angemessen.
Zu 2. Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WHG ist jede Person verpflichtet, bei Maßnahmen, mit denen die Einwirkung auf ein Gewässer verbunden sein kann, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine mit Rücksicht auf den Wasserhaushalt gebotene sparsame Verwendung des Wassers sicherzustellen. Um eine nachteilige Veränderung des mengenmäßigen Zustands der Grundwasserkörper im Landkreis Göttingen präventiv zu verhindern, ist eine möglichst sparsame Verwendung des Grundwassers geboten. Auf Grund der warmen Temperaturen und der erhöhten Sonneneinstrahlung, ist die Verdunstung in den Mittags und Nachmittagsstunden in den Sommermonaten am höchsten. Dies bedeutet, dass der Grundwasserstand in diesem Zeitraum stark belastet wird und bei einer Beregnung auf Grund der hohen Verdunstung den Pflanzen nicht zugute kommt.
Gem. § 100 WHG in Verbindung mit § 128 NWG bin ich berechtigt, nach pflichtgemäßen Ermessen die Maßnahmen anzurordnen, die im Einzelfall notwendig sind, um die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen. Das zeitliche Verbot der Grundwasserentnahmen soll sicherstellen, dass in der Zeit mit den größten Verdunstungsraten eine Beregnung verhindert wird, da hier ein Großteil des zur Beregnung eingesetzten Wassers direkt wieder verdunstet. Damit ist das Verbot geeignet, um eine sparsame Verwendung des Grundwassers zu gewährleisten. Es ist auch erforderlich, da kein milderes, weniger belastendes Mittel den geichen Erfolg erreichen kann. Zudem ist das Verbot auf die Beregnung von öffentlichen und privaten Grünflächen beschränkt und auch nur innerhalb des Zeitraums der größten Verdunstung. Damit werden Flächen für den Pflanzenbau vom Verbot herausgelöst. Die Anordnung ist auch angemessen, da das öffentliche Interesse am Erhalt der Funktion als Lebensgrundlage des Menschen und der Natur und als nutzbares Gut höher zu bewerten ist, als das Interesse Einzelner an der Möglichkeit der Nutzung des Grundwassers zur Beregnung im Zeitraum von 10.00-19.00 Uhr.
Das zeitliche Verbot soll sicherstellen, dass das Grundwasser sparsam verwendet wird. Es erstreckt sich auf alle öffentlichen und privaten Grünflächen, die beregnet werden. Gewerbliche Gartenbauflächen, die Bewässerung in Gewächshäusern oder effizientere Bewässerungsarten, wie eine Tröpfchenbewässerung oder landwirtschaftliche Bewässerungen, die über eine wasserrechtliche Erlaubnis geregelt sind, werden vom Verbot nicht erfasst.
Diese Anordnung gilt ebenfalls nicht für die Entnahme von Wasser aus dem öffentlichen Trinkwassernetz. Dennoch sollte auch bzw. gerade das Trinkwasser aus dem öffentlichen Trinkwassernetz effizient und sparsam genutzt werden. Es wird dringend empfohlen, die zeitliche Beschränkung der Bewässerung auch in den nicht vom Verbot erfassten Fällen zu beachten.
Zu 3.
Da erfahrungsgemäß im Oktober bei gleichzeitiger Abnahme der Sonnenstunden und Verdunstungsraten die Trockenperiode endet, ist die Allgemeinverfügung bis zum 30.09.2023 befristet (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG3).
Diese Allgemeinverfügung ergeht unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG) und gilt am Tag nach ihrer öffentlichen Bekanntmachung als bekannt gegeben.
Zu 4.
Rechtsgrundlage für die angeordnete sofortige Vollziehung dieser Allgemeinverfügung ist § 80 Abs. 2 Nr. 4 der VwG04. Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung ist gemäß § 80 Abs. 3 5. 1 VwG0 damit begründet, dass aufgrund der sehr geringen Niederschlagsmengen, der dadurch bedingten Niedrigwasserführung in den Gewässern und der extremen Trockenheit des Bodens dringendes Handeln der unteren Wasserbehörde zum Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit von Tieren und Pflanzen geboten ist. Würde die Allgemeinverfügung ohne eine Vollziehungsanordnung erlassen, hätte ein Widerspruch einer/eines Betroffenen aufschiebende Wirkung (vgl. § 80 VwG0). Es könnte bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens weiter Wasser aus den Gewässern entnommen und dadurch die Ordnung des Wasserhaushalts weiter verschlechtert werden. Durch weitere Entnahmen wäre der zur Aufrechterhaltung der wasserbiologischen Vorgänge erfoderliche Mindesabfluss bzw. des mengenmäßigen Zustands nicht mehr gewährleistet.
Hinweis:
Zuwiderhandlungen gegen diese Allgemeinverfügung stellen eine Ordnungswidrigkeit dar und können im Einzelfall mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 EUR geahndet werden (§ 103 Abs. 1 und 2 WHG).
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch beim Landkreis Göttingen, Reinhäuser Landstraße 4, 37083 Göttingen eingelegt werden. Auf Antrag kann das Verwaltungsgericht Göttingen, Berliner Straße 5, 37073 Göttingen die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Absatz 5 VwG0 ganz oder teilweise wiederherstellen.
Göttingen, 27.06.2023
gez. Marcel Riethig
Landrat
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1 Wasserhaushaltsgesetz vom 31.07.2009 (BGBI. I S. 2585), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes
vorn 4.1.2023 (BGBI. I Nr.5)
2 Niedersächsisches Wassergesetz vom 19.02.2010 (Nds. GVBI. 5. 64), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vern 22. September 2022 (Nds. GVBI. S. 578).
3 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGB1.1S. 102), zuletzt geändert durch Artikel 24
Absatz 3 des Gesetzes vom 25. Juni 2021 (BGBI. I 5. 2154)
4 Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.03.1991 (BGBI. I S. 686), zuletzt geändert durch zuletzt geändert
durch Art. 1 des Gesetzes \Rpm 14.3.2023 (BGBL I Nr. 71)